Michael Oehme Gallus: Wanderprediger oder Rebell? „Wer sich mit der Geschichte der Stadt St. Gallen beschäftigt, kommt am heiligen St. Gallus nicht vorbei. Um seine Person ranken sich viele Geschichten“, meint Michael Oehme, Experte für die Schweiz. Ob Gallus Center, Gallus Markt, Gallus Pub – selbst international tätige Unternehmen, wie die Gallus Group, haben Anleihe an Gallus, dem Gründer der Stadt St. Gallen genommen. „Doch wer war dieser Mann, wo stammte er her und warum ließ er sich gerade in der Schweiz nieder? Und warum ist seine Bekanntheit heute noch so groß, dass selbst hochwertige Restaurants Speisen nach ihm benennen?“, fragt sich Michael Oehme. So findet sich im gefragten St. Galler Restaurant Schlössli der «St. Gallus Fisch» auf der Karte, der an die Essgewohnheiten des Wanderpriesters erinnern soll.

 

Deckenmalerei an der Kathedrale in St. Gallen von Joseph Wannenmacher

Deckenmalerei an der Kathedrale in St. Gallen von Joseph Wannenmacher

 

Michael Oehme: Herkunft des heiligen St. Gallus ungewiss

„So kann sicher ist man sich dabei nicht, woher Gallus tatsächlich stammte. Dies lässt sich am schnellsten bei Wikipedia nachlesen“, erklärt Michael Oehme. Denn hier steht geschrieben: „Die Herkunft des heiligen Gallus ist umstritten. (…) Die erste sieht Gallus als Iren und begründet dies mit seinem irischen Umfeld. Die zweite verneint seine irische Herkunft. Der Romanist Gerold Hilty vertritt aufgrund seiner Untersuchungen von Gallus’ Sprachkenntnissen die Ansicht, dass dieser aus dem zweisprachigen Raum Vogesen-Elsass stammte. Einen die beiden Deutungen verbindenden Ansatz lieferte der Historiker und Theologe Max Schär. Seiner Auffassung nach war Gallus ein Mann irischer Abstammung, der in einem zweisprachigen Gebiet, vermutlich im Elsass, geboren wurde und aufgewachsen ist“ (Quelle: Wikipedia).

 

Michael Oehme: Kampf gegen die Heiden

Zunächst war Gallus Schüler des um 590 von Abt Columban von Luxeuil gegründeten Klosters Luxeuil in den Vogesen (das Kloster gibt es noch heute und ist gut erhalten). Als Columban den politischen Rückhalt im Frankenreich verlor, zogen er und Gallus mit weiteren Mönchen von Metz den Rhein aufwärts über Zürich und Tuggen am unteren Ende des Zürichsee in den Raum Bregenz (Bodenseeraum) im heutigen Österreich. Hier und auch in Tuggen zerstörten sie, der Überlieferung nach, heidnische Statuen und warfen sie in den See. Dies führte zu Zerwürfnissen mit der teilweise heidnischen Bevölkerung, einige Mönche wurden ermordet und die Gründung eines Klosters in Bregenz scheiterte. Columban flüchtete daraufhin nach Bobbio in Italien, musste aber – der Gallus-Legende nach – Gallus im Schweizer Arbon zurücklassen. Er litt an schwerem Fieber. „Columban hatte indes kein Verständnis für die Erkrankung des Wandermönchs und exkommunizierte ihn. Er durfte also zu Lebzeiten die Messe nicht kommunizieren und nicht daran teilnehmen“, so Michael Oehme.

 

Michael Oehme Gallus und der Bär auf dem Wappen der ehemaligen Fürstabtei St. Gallen

Michael Oehme Gallus und der Bär auf dem Wappen der ehemaligen Fürstabtei St. Gallen

 

Göttliches Zeichen – die Legende von

„Von Arbon aus überlegte sich Gallus zusammen mit dem Diakon Hiltibod dem Fluss Steinach zu folgen. Zum bildlichen Verständnis: Heute entspringt die Steinach östlich des St. Galler Stadtteils St. Georgen im Steineggwald zwischen Vögelinsegg und St Georgen und fliesst durch St. Gallen bis Steinach in den Bodensee“, erläutert Michael Oehme (Quelle: Schweizer Fluss). Gallus stürzte auf seinen Weg in dem damals dicht bewaldeten Land in einen Dornenbusch und deutete dies als göttliches Zeichen, sich hier niederzulassen, was er auch tat. Der Legende nach soll dabei in einer der Nächte ein Bär aufgetaucht sein, der Gallus und den schlafenden Hiltibod bedrohte. Gallus blieb unbeirrt und forderte den Bären auf, Holz für das Feuer der beiden zu holen, was dieser auch tat. Daraufhin gab Gallus dem Bären unter der Voraussetzung Brot, dass er die beiden unverzüglich verlasse und sich nicht mehr blicken ließe (Quelle: Bistum St. Gallen). Hiltibod, der aufgewacht war und dieses merkwürdige Geschehen verfolgte, soll zu Gallus gesagt haben: „Jetzt weiß ich, dass der Herr mit dir ist, wenn selbst die Tiere des Waldes deinem Wort gehorchen.“ Da Gallus die Gründung der Stadt St. Gallen zugeschrieben wird, ziert daher noch heute der Bär das Wappen der Stadt (Quelle: Kanton St. Gallen).

 

Michael Oehme: Gründung der Stadt St. Gallen

Gallus und seine Gefährten gründeten später eine Klause, die der Maria sowie den Burgunderheiligen Desiderius und Mauritius gewidmet war. 612 sollte Gallus dabei zum Bischof von Konstanz gewählt werden, schlug jedoch einen anderen Mönch vor. Er zog es vor, weiterhin in Askese zu leben. Am Todestag von Columban, vermutlich der 23. November 615, träumte Gallus von dessen Tod. Er schickte einen Boten, um sich zu überzeugen. Dieser bestätigte ihm die traurige Nachricht, brachte aber auch dessen Krummstab als Zeichen der Versöhnung (Quelle: Wikipedia). 629 schlug er das Angebot aus, Nachfolger des verstorbenen Abtes Eustasius in Luxeuil zu werden. Gallus lebte weiterhin bewusst zurückgezogen und versuchte, die vielfach heidnischen Bauern und Waldarbeiter der Region vom christlichen Glauben zu überzeugen.

Wann sein genauer Todeszeitpunkt war, kann indes nicht sicher festgestellt werden. Oft findet sich das Jahr 646 nach Christus. Andere glauben, er sei schon 640 verstorben. In jedem Fall wurde ihm in St. Gallen eine eigene Kirche gewidmet und es gibt eine Gallus-Kirchengemeinde. „St. Gallen selbst wurde allerdings erst 719 vom alemannischen Priester Othmar gegründet. Zunächst als Wallfahrtsort mit Abtei entwickelte sich St. Gallen in den Jahrhunderten danach zur Zufluchtsstätte für irische Gelehrte und Künstler, die Schutz vor der Verfolgung durch die Wikinger und Dänen suchten. Noch heute ist St. Gallen mit dem Kloster und der weltbekannten Klosterbibliothek ein beliebtes Ausflugsziel für Kunst- und Geschichtsinteressierte aus aller Welt“, meint Schweiz-Liebhaber Michael Oehme abschließend.