Die Situation am Schweizer Wohnungsmarkt ist für viele der inzwischen knapp 8,8 Millionen Bürger nicht einfacher geworden. Ausgehend von dem Ende der 2010er-Jahre eingeleiteten Drosselung der Wohnungsproduktionen, zeigt sich nun – mit der entsprechenden zeitlichen Verzögerung – ein knappes Angebot an freien Mietwohnungen, was sich unter anderem in der sogenannten Leerstandsquote spiegelt. Diese ist zum Jahresbeginn von 1,54 Prozent auf rund 1,3 Prozent gefallen und liegt in einigen Kantonen sogar unter null. Die Leerstände sinken also rapide und sind derzeit auf einem seit Jahren historisch niedrigen Wert. Und damit steigen – nach den Eigenheimpreisen – jetzt auch die Mieten. Unabhängig von Corona-Pandemie, Ukraine-Krise, Baukostenerhöhungen und Energiepreissteigerungen. Deutlich verschonter blieb die Schweiz von der Erhöhung der Inflationsrate. Diese belief sich durchschnittlich auf 2,8 Prozent für das Gesamtjahr 2022. Dies geht aus den Zahlen des Bundesamtes für Statistik hervor.

Michael Oehme ist besorgt um die historisch niedrige Leerstandskennziffer, denn die Schweizer Bevölkerung benötigt deutlich mehr Wohnungen als aktuell auf den Markt kommen.

Michael Oehme ist besorgt um die historisch niedrige Leerstandskennziffer, denn die Schweizer Bevölkerung benötigt deutlich mehr Wohnungen als aktuell auf den Markt kommen.

Leerstandskennziffer auch künftig niedrig auf Schweizer Wohnungsmarkt

Während die Leerstandskennziffer derzeit historisch niedrig ist, stellt sich die Frage, ob in den Folgejahren mit einer deutlichen Erhöhung zu rechnen ist? Hiergegen sprechen verschiedenste Gründe, die Raiffeisen-Research wie folgt zusammenfasst: „Im Umfeld extrem hoher Baulandpreise, rigider Bau- und Zonenordnungen sowie einer einsprachefreudigen Bevölkerung war die Wohnbautätigkeit schon seit längerer Zeit stark rückläufig. Die dynamisch wachsende und auf immer grösserem Raum lebende Schweizer Bevölkerung benötigt deutlich mehr Wohnungen als aktuell auf den Markt kommen. «Das höhere Zinsniveau und die Bauteuerung mindern die Anreize für den Wohnungsbau zusätzlich. Gleichzeitig treiben der akute Fachkräftemangel und der Krieg in der Ukraine die bereits starke Zuwanderung kräftig nach oben. Wir steuern mit Vollgas auf eine Wohnungsnot zu», stellt Martin Neff, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz, fest.“ Auch andere Fachleute erwarten dabei, dass die Schweiz in den kommenden Jahren eher mit einer Leerstandsquote unter als über eins rechnen muss. Dies führt dazu, dass schon jetzt einige Kantone von realer Wohnungsnot sprechen.

Asylbewerber aus der Ukraine und Afghanistan belasten geringes Wohnungsangebot

Asylbewerber aus der Ukraine und Afghanistan belasten geringes Wohnungsangebot

Nachfragesteigerung aufgrund von Zuwanderung

Während Baugesuche aktuell rückläufig sind und auch die Fertigstellungszahlen hängen, sorgt eine positive Nettozuwanderung zudem für eine Erhöhung der Nachfrage. Rund 33.000 Personen – den Zuzug aus der Ukraine nicht mitgerechnet – allein zwischen Januar und Mai 2022 sorgten für ebendiese Nachfragesteigerung. Einmal unabhängig davon, als Corona selbst zu einer Veränderung des Wohnverhaltens geführt hat, was nachfolgend aufgezeigt wird. Doch auch auf die Flüchtlingszahlen wollen wir noch einmal eingehen, da sie nicht unerheblich sind für die kleine Schweiz und deren geringes Wohnungsangebot. So siedelten im Jahr 2022 allein über 75.000 Ukrainerinnen und Ukrainer ein. Da sie automatisch den Schutzstatus S erhalten, zählen sie nicht zu den üblichen Asylbewerbern. Im Jahr 2022 wurden zudem 24.511 Asylgesuche in der Schweiz eingereicht, 9600 Gesuche oder 64 Prozent mehr als im Vorjahr. Über ein Viertel der Asylbewerber kommt aus Afghanistan, gefolgt von Schutzsuchenden aus der Türkei (4791 Gesuche), aus Eritrea (1830), Algerien (1362) sowie Syrien (1252). Da es in der Schweiz nicht unüblich ist, dass anerkannte Asylbewerber nur kurze Zeit in Unterkünften verbringen müssen, drängen diese natürlich mit einer entsprechenden Zeitverzögerung auch in den Wohnungsmarkt und verringern somit das zur Verfügung stehende Angebot.

Pandemie bremst Urbanisierung

Als mögliche Spätfolgen kann man dabei die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Schweizer Wohnungsmarkt beschreiben. Diese hat die räumliche Entwicklung in der Schweiz nachhaltig geprägt. So führt die Aufweichung der Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsort zu einer Neubeurteilung der Wohnsituation und vergrössert den Suchradius von Wohnungssuchenden. Es findet dabei eine Nachfrageverlagerung hin zu weniger zentralen Standorten und grösseren Wohnungen statt. Von der höheren Binnenabwanderung aus den Städten profitieren in erster Linie die Agglomerationen von Gross- und Mittelstädten, die gerne auch eher ländlich geprägt sein können. Für diese Standorte eröffnen sich, laut dem Management Summary der Crédit Suisse zum Schweizer Immobilienmarkt 2022, neue Arbeits- und Lebenswelten. Im Zuge dessen verringert sich die Leerstandsquote nicht mehr nur in den Städten, wie in den vergangenen Jahren üblich, sondern auch in eher ländlichen Regionen, unter anderem deshalb, weil hier grössere Wohnungen überhaupt noch vorhanden und bezahlbar sind.

Ausblick vom Schweizer Wohnungsmarkt

Der Schweizer Wohnimmobilienmarkt ist und bleibt anspruchsvoll. Mit einem weiterhin niedrigen Angebot bei gebremster Bautätigkeit muss gerechnet werden. Dies führt zwangsläufig zu Mieterhöhungen. Da zudem die Inflationsrate, wenn auch moderat, gestiegen ist, ist eine Erhöhung des Mietpreisindexes zu erwarten, was derartige Mieterhöhungen legitimiert. Da zudem die Nebenkosten gestiegen sind, wird der Druck auf Mieter grösser. Von Vorteil ist dabei, wenn es sich um moderne Mietwohnungen handelt, die aufgrund von Schweizer Gesetzesvorgaben, den Anforderungen von Niedrigenergie entsprechen müssen. Dann fallen zumindest die für Öl und Gas anfallenden Erhöhungen weg.